Erinnerung und Versöhnung - Zur Verlegung von Stolpersteinen in Kierspe und Meinerzhagen am 6. Juli 2017

Ein Bericht von Joachim Trambacz und Dietmar Först

mit Fotos der Initiative Stolpersteine

Die Verlegungen

Es war eine sehr merk- bzw. denkwürdige Sitzung des Rates der Stadt Meinerzhagen am 4. Oktober 2016. Der Antrag, die Verlegung von Stolpersteinen auf städtischem Grund auch ohne Zustimmung der Anlieger zu erlauben, wurde mehrheitlich abgelehnt. Vorausgegangen waren sehr emotionelle Beiträge aus den Reihen der Initiative Stolpersteine, die aber in der weiteren Sitzung keine Beachtung fanden.

Das Positive dieser Ratssitzung war dann die Ankündigung von Thorsten Stracke, dass vor seinem Elternhaus in der Lindenstraße, dem sog. Fischbachhaus, weitere Stolpersteine verlegt werden dürfen. Die Initiative nahm das dankbar zur Kenntnis und somit konnten die Vorbereitungen zur Verlegung am 6. Juli 2017 in Angriff genommen werden.

Die Sonne brannte erbarmungslos auf die vielen Besucher nieder, die sich zur Feier der Verlegung der Stolpersteine in der Lindenstraße 14 eingefunden hatten. Vor allem den Personen, die schon an der zwei Stunden vorher stattgefundenen Stolpersteinverlegung um 10.00 Uhr in Kierspe teilgenommen hatten, hat die Hitze stark zugesetzt. Auch hier wohnten zahlreiche Bürger und Gäste der Verlegung der Stolpersteine durch den Künstler Gunter Demnig bei.

Vor dem Haus Hammerkamp 1 in Kierspe wurde an die drei Personen Heinrich Rachel sen., Berta Rachel, verw. Heß, geb. Benjamin und Erich Heß erinnert, die Opfer staatlich indizierter Gewalt des Nationalsozialismus wurden. Weitere Informationen dazu finden sich u.a. auf der Homepage der Stadt Kierspe unter „Leben in Kierspe – Stadtinfo“.

In Meinerzhagen fand die Veranstaltung dann ihre Fortsetzung. Mit dabei, wie auch schon in Kierspe, die amerikanischen Gäste Judi und Bernie Cataldo sowie Gail Stern, für deren Angehörige vor der Buchhandlung Schmitz schon Stolpersteine verlegt wurden, und die Eheleute Marci und Steve Fischbach, für dessen Familie an der Derschlager Straße 11/9 (Krummicker Weg) Stolpersteine verlegt sind.

Interessant war, dass sich Gail Stern und Steve Fischbach trotz ihres, wenn auch zugegeben weitläufigen Verwandtschaftsverhältnisses, das erste Mal hier in Meinerzhagen trafen und kennenlernten.

Aber zuerst brachte der Künstler Gunter Demnig den Ablaufplan der Veranstaltung etwas durcheinander. Weil er aus persönlichen Gründen schnellstmöglich weiter- reisen musste, begann er sofort nach seinem Eintreffen mit der Verlegung. Eigentlich war diese erst nach einigen Redebeiträgen vorgesehen. So fand dann vor dem Haus, von manchem Gast unbeobachtet, die Verlegung der vier Stolpersteine statt, weil der Beginn im Hinterhof des Wohnhauses von Strackes geplant war und die Menschen sich teils dort versammelt hatten.

Sei es drum.

Während Christina Först dem WDR-Fernsehteam der „Lokalzeit“ ein kurzes, aber eigentlich nicht geplantes Interview gab, war Gunter Demnig schon kräftig dabei die Löcher für die Stolpersteine frei zu machen. Auch das Fernsehteam widmete dann ihm seine Aufmerksamkeit.

 

Interessant, mit welcher Wissbegier Steve Fischbach dieser Verlegung beiwohnte. Er kniete neben dem Künstler, sprach mit ihm, nahm die Steine in die Hand. Für ihn wohl ein sehr starker emotionaler Moment. In einem Redebeitrag wandte er sich später auch an die versammelten Festgäste.

Diese vier neu verlegten Stolpersteine erinnern an seinen Großonkel Oskar und seine Großtante Jenni Fischbach und deren Kinder Margot und Ellen Fischbach, die hier in diesem Haus aufgewachsen sind und gelebt haben. Allen vier gelang die Flucht in die Vereinigten Staaten. Ihre Lebensgeschichten finden Sie in gesonderten Artikeln in diesem Heft, am Ende unseres Beitrags.

Die Feier nahm nun fast so ihren Verlauf wie sie mal geplant war. Der Unterstufenchor des Evangelischen Gymnasiums bot unter der Leitung von Michael Otto einige musikalische Beiträge und bekam dafür viel Beifall.

Dietmar Först von der Initiative konnte jetzt endlich die Gäste begrüßen und seine Ansprache halten. Er erinnerte daran, dass die Personen, für die heute Stolpersteine verlegt werden, hier im Ort gelebt und am gesellschaftlichen Leben teilgenommen haben. Irgendwann wurden die jüdischen Mitbürger dann geschnitten, ausgegrenzt, ihrer Lebensgrundlage beraubt. Aber keiner beklagte das laut. Und nun wird gefordert, dass wir die große Wunde unseres Landes endlich vergessen sollen, den NS-Geschichtsunterricht abschaffen und das Berliner Denkmal für die ermordeten Juden Europas gleich mit. „Was für ein Quatsch“, sagt die ev. Pastorin Annette Behnken in ihrem „Wort zum Sonntag“ zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus (27.1.2017). Erinnerung gehöre zu den stärksten Leistungen unseres Landes: Dass wir nicht vergessen und verdrängen, sondern uns erinnern, was war. Das ist das Klügste, Stärkste und Heilsamste, was wir tun konnten angesichts der Geschichte unseres Landes.

 

Dietmar Först erinnerte noch an den Ausspruch des Friedensnobelpreisträgers Elie Wiesel: „Das Geheimnis der Versöhnung heißt Erinnerung“. Nur eine Wunde, die ich zeige, die ich wahrnehme, die ich realisiere, kann geheilt werden.

Er berichtete von Margot Fischbach, verheiratete Bilinsky, die in dem Haus Lindenstraße 14 ihre frühen Kindheitsjahre verbrachte und zeitlebens für das Erinnern gekämpft hat. Einer Meinerzhagener Freundin sagte sie, obgleich schon krank, nachdem die ersten Stolpersteine vor anderen Häusern verlegt waren: „Ich würde zu Fuß über den Großen Teich gehen, um bei der Verlegung von Steinen vor meinem Haus dabei zu sein!“ Diese Form der Erinnerung und des Gedenkens war ihr ein großer Herzenswunsch.

Für seine Familie richtete Thorsten Stracke das Wort an die die Besucher. Er erinnerte an die Familie Fischbach, die hier in diesem Haus gelebt und einen Viehhandel betrieben haben. Er konnte sich noch gut an Besuche von Oskar in den 1960er Jahren und seinen Kindern Margot und Ellen Anfang der 1980er hier in Meinerzhagen erinnern, damals im Rahmen eines größeren Treffens ehemaliger jüdischer Meinerzhagener Mitbürger. Er fand es bemerkenswert, dass diese Generation, die das ganze Elend des Nationalsozialismus miterlebt hatte, sich wieder hier in Meinerzhagen traf. Es grenzt für ihn an ein Wunder, dass diese Versöhnung stattfinden konnte. Wie klein wirken da Streitigkeiten und Probleme die uns beschäftigen. Er wertete diese Begegnung am heutigen Tag als hoffnungsvolles Zeichen dafür, dass sich die Welt doch noch zum Guten wendet.

Nach seinen Ausführungen überreichte Thorsten Stracke Marci und Steve Fischbach eine Fotografie mit einer alten Ansicht von Meinerzhagen.

Bürgermeister Jan Nesselrath begrüßte im Namen der Stadt die Gäste und den Künstler. Er dankte den Gästen aus Amerika, die sich auf den langen Weg zu den Wurzeln ihrer Familie gemacht haben. Damit wird ein weiteres Mal die Hand zur Versöhnung und zum Frieden gereicht. Herr Nesselrath betonte die Wichtigkeit der Geschichte, die uns den Weg in die Gegenwart und in die Zukunft weist. Die Zeitzeugen des Holocaust werden weniger. Aber wir können jetzt nicht einfach ein neues Kapitel aufschlagen und die Geschichte bewusst leugnen oder kleinschweigen.

Die Stolpersteine erinnern an Bürgerinnen und Bürger, die hier in unserer Mitte gelebt haben, bis ihnen das Leben unerträglich gemacht wurde. „Ihr Schicksal geht uns bis zum heutigen Tag etwas an“, betonte der Bürgermeister.

Er richtete das Wort noch an die anwesenden Schülerinnen und Schüler, die sich schon im Unterricht mit der Familie Fischbach beschäftigt haben. „Erinnert Euch und lernt aus dem, was vor 80 Jahren hier geschah und so viel Unrecht und Leid über Millionen von Menschen brachte. Erinnert Euch an das Leben jedes einzelnen dieser Menschen, die aus unserer Mitte ein solches Schicksal erlitten. Damit sie nicht namenlos der Vergangenheit angehören, sondern ein Teil von uns bleiben.“

Nach Musikbeiträgen einiger Musikanten der Gruppe „Among Friends“ meldete sich dann auch noch Steve Fischbach zu Wort. Sichtlich bewegt forderte er die Meinerzhagener Bevölkerung auf, stolz auf die Stolpersteine zu sein. Seit 1995 recherchiert er die Wurzeln seiner Familie, die in Meinerzhagen lebte. Die heutige Verlegung der Stolpersteine ist für ihn zweifellos ein Meilenstein der Versöhnung. Für die Unterstützung des Bürgermeisters zeigte er sich dankbar. Eindringlich plädierte er dafür, diesen Prozess der Versöhnung weiter zu betreiben – und gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass auch für die neun Opfer an den beiden noch offenen Verlegestellen Steine verlegt werden können. Erst dann, so betonte er, sei diese Form des Gedenkens in Meinerzhagen zu einem Abschluss gekommen.

Foto: Spontan ergreift auch Steve Fischbach das Wort. Im Hintergrund Bürgermeister Jan Nesselrath.

Die Feier war nun schon zeitlich etwas fortgeschritten, als dann die frisch verlegten Stolpersteine vor der Haustür der Familie Stracke wieder in den Mittelpunkt gestellt werden konnten. Schüler des Ev. Gymnasiums und der Sekundarschule verlasen die Kurzbiografien der vier Opfer, die hier gewohnt haben und nur durch Flucht ihr Leben retten konnten.

Anschließend wurden von den Schülerinnen und Schülern Rosen auf den Steinen niedergelegt.

Zum Abschluss der Gedenkfeier trugen die amerikanischen Gäste das jüdische Gebet „Kaddisch“ vor, welches unter anderem auch zum Totengedenken und am Grabe gesprochen wird.

Alle Gäste und Bürgerinnen und Bürger waren noch anschließend zum Beisammensein bei Speisen und Getränken ins Gemeindehaus an der Jesus-Christus-Kirche eingeladen.

Foto: Steve Fischbach, Bernie und Judi Cataldo sprechen das „Kaddisch“

Es war wohl auch den schon langen Feierlichkeiten in Kierspe und dann an der Lindenstraße geschuldet, dass neben den Mitgliedern der Initiative Stolpersteine nur wenige Personen der Einladung folgten. Aber dafür war diese Zeit der Begegnung umso herzlicher. Christina Först sprach nochmals einige Worte und eröffnete das Büfett. Auch dabei: wieder eine musikalische Untermalung des Treffens durch Fritz Schmid und Johannes Koch.

 

Reaktionen

So bewegend wie die Verlegung der Steine selbst, so bewegend waren die Rückmeldungen der Nachkommen unserer jüdischen Mitbürger, die teilgenommen haben.

Eine von ihnen ist Judi Cataldo, geborene Schwarz. Auf die Welt gekommen 1944 in Baltimore in den USA, wo sie noch heute wohnt, kam sie mit ihrem Mann Bernie nach Deutschland, um der Verlegung am Hammerkamp in Kierspe und in der Lindenstraße in Meinerzhagen beizuwohnen –  und um das erste Mal die für ihre eigene Familie verlegten Steine in der Hauptstraße 6 (heute: Zur Alten Post 8) zu besuchen. Für sie, nach der Flucht ihrer Eltern aus Nazi-Deutschland 1937, eine Reise „zu den Wurzeln“ mit zunächst sehr gemischten Gefühlen, wie sie uns rückblickend schrieb:

Es gibt keine Worte, um die Gefühle zu beschreiben, die ich empfand. Ich kam mit dem Gefühl: diese Reise zu unternehmen war etwas, das ich tun sollte – ohne dass ich mir sicher sein konnte, was ich dann empfinden würde...

Und das nur zu verständlich!  Nach ihren Eltern Siegfried und Erna Schwarz (geb. Stern) gelang es zwar 1941 auch ihrem Onkel Erwin Stern unter abenteuerlichen Umständen noch, mit dem Zug quer durch Europa und dann mit dem Schiff in die USA zu entkommen – ihre Großeltern Julius und Cilly Stern jedoch, ebenso wie ihre Großtante Jenny Weil, wurden deportiert und brutal im Holocaust ermordet. Für alle sechs sind im August 2014 an dieser Stelle – vor der heutigen Buchhandlung Schmitz – Stolpersteine verlegt worden.

Foto: Judi Cataldo mit ihrem Mann Bernie und Gail Stern, von rechts, an den Stolpersteinen vor dem ehemaligen Haus ihrer Eltern und Großeltern

Judi Cataldo nahm sich während ihres Besuches einen Vormittag „Auszeit“, um, wie sie sagte, „auf den selben Straßen spazieren zu gehen wie meine Großeltern, die ich nie kennenlernen konnte, und vor den Schaufenstern stehen zu bleiben und mir vorzustellen, hier sind sie beim Einkaufen vielleicht auch stehen geblieben und haben hineingeschaut...“. Das ging ihr durch und durch, wie sie uns direkt nach ihrer Rückkehr in die USA wissen ließ:

Ich fühlte mich unglaublich verbunden... Tatsächlich zu sehen, und dort zu sein, wo meine Eltern, Großeltern und andere Verwandte lebten, war sehr aufwühlend. Bernie und ich sind beide so froh, dass wir diese Gelegenheit hatten.

Wir möchten Euch danken für alles, was Ihr tut – für die Informationen, die wir jetzt über unsere Familie haben...

Wir haben viel gelernt, haben Verbindung gefunden zur eigenen Vergangenheit, sind dort gewesen an den Orten, wo meine Familie gelebt hat.

Einige Wochen später schreibt sie, erst langsam habe sie ihre Gedanken und Gefühle ordnen können:

Vor meinem Besuch war „Deutschland“ der Ort, wo meine Eltern herkamen. Dahinter eine unklare Geschichte, eine, der ich besser nicht auf den Grund gehen wollte. Jetzt fühle ich mich verbunden mit den Wurzeln meiner Familie. Meine Erlebnisse waren bewegend, waren lohnend und sehr wertvoll für mich.

Schon anlässlich der vorigen Verlegungen hatte die Initiative Stolpersteine überwältigende Reaktionen erfahren von den Nachfahren der jüdischen Mitbürger, die uns besucht hatten (siehe dazu die Meinhardus-Sonderhefte 2014, 2015 und 2016). Stolpersteine sind das eine, was diese Menschen bewegt – denn durch sie erhalten die Opfer, erhalten ihre Angehörigen ein Stück der Würde zurück, die ihnen genommen wurde. Erhalten die ihnen zustehende Erinnerung, die die Nazis am liebsten vollständig ausgelöscht hätten.

Die menschlichen Kontakte indessen sind das andere, was den Nachkommen der damaligen Opfer so wichtig ist – bereichernd für sie wie für uns, wie wir auch dieses Mal dankbar erfahren durften. Noch einmal, zusammenfassend in ihrer Rückschau, Judi Cataldo: „Immer wieder sprechen wir über die wundervollen Menschen, die wir getroffen haben. Jeder von Euch ist so wichtig wie die Stätten der Erinnerung, die wir besucht haben.“

Diese Worte, und viele ähnliche, bekräftigen: Hier wird nicht Schuld aufgerechnet. Hier findet Versöhnung statt. Genau das hatte Steve Fischbach ja in seiner oben zitierten Rede bei der Verlegung vor dem „Fischbachhaus“ angesprochen: diesen Weg sollten wir weiter beschreiten. Und allen Opfern diese Würde zukommen lassen, auch an den beiden Stellen, an denen bisher noch keine Steine verlegt werden konnten.

Um die Freundschaft zu pflegen und um zu sehen, wie es damit weiter ginge, haben Gail Stern und ihre Schwägerin Sheri Stern, die schon bei den Verlegungen im Jahre 2014 dabei war, im April / Mai 2018 noch einmal Meinerzhagen besucht. Diese Form der Erinnerung durch Stolpersteine, so Gail Stern während des Besuchs, „macht bewusst, dass jedes Opfer ein eigenes Leben und Schicksal hatte, das nun wieder zähle und nicht vergessen wird“. Umso unverständlicher ist es für jemanden wie Yvonne Daniel, geb. Heumann, deren Mutter ihr Elternhaus Zum Alten Teich 2 verlassen und aus Meinerzhagen fliehen musste, dass ihrer Familie diese Erinnerung bislang versagt bleibt. (Siehe dazu Frau Daniels Bericht über die Flucht ihrer Eltern nach Shanghai im Meinhardus 2/2017). Auf dem Rundgang zu den Verlegeorten der Stolpersteine ergriff Sheri Stern denn auch vor Yvonne Daniels ehemaligem Groß-Elternhaus das Wort: Sie hoffe, so sagte sie bewegt, auf die Hilfe aller Meinerzhagener Bürger, damit auch hier an das Schicksal der früheren Bewohner erinnert werden könne, die vertrieben – wie Yvonne Daniels Großeltern – oder in den Tod deportiert wurden.

Niemand, so äußerte sie später, bringt unsere Liebsten, bringt die Opfer zurück. „Aber irgendwann muss es genug sein, müssen Krieg, Angst und Hass enden, und Frieden, Miteinander und Liebe an ihre Stelle treten, wenn wir überleben und ein lebenswertes Leben haben wollen. Auf diesen Weg haben wir uns gemeinsam gemacht, Ihr und wir.“

(Über diesen Besuch hat die „Lokalzeit“ des WDR Siegen einen dreiminütigen Beitrag gesendet, der noch bis zum 3. Mai 2019 in der Mediathek des WDR abrufbar ist: https://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/lokalzeit-suedwestfalen/video-juedisch-deutsche-versoehnung-in-meinerzhagen-100.html)

 

„Kein Stein bleibt in dieser Nacht allein“

Derweil erinnerte die Initiative Stolpersteine mit der Aktion „Kein Stein bleibt in dieser Nacht allein“dieses Jahr schon zum zweiten Mal am 9./10. November an den Terror der „Reichskristallnacht“ – mit einem Rundgang zu den Plätzen, an denen die jüdischen Mitbürger aus Meinerzhagen ihren letzten frei gewählten Wohnsitz hatten. Für jeden Stein und jedes Schicksal wurde dabei eine Kerze entzündet, in diesem Jahr auch für diejenigen in der Hauptstraße 32 und Zum Alten Teich 2, die bisher keinen Stein erhalten konnten. An dem in der örtlichen Presse angekündigten Rundgang nahmen 2017 etwa 30 Bürgerinnen und Bürger teil, 2018 schon an die 50.

Warum es so wichtig ist, diese Erinnerung wach zu halten, gerade zum Jahrestag einer solchen Nacht des Schreckens, brachte Jochen Trambacz in seiner Ansprache treffend auf den Punkt:

Es war eine dunkle Zeit, sprichwörtlich: Ja nichts sehen, ja nichts hören. Besser im Verborgenen bleiben. Natürlich flackerten hier und da auch kleine Lichter auf: Nachbarn, heimliche Helfer...

Haben jüdische Frauen, Männer, Kinder in der Zeit des Naziterrors überhaupt noch irgendein Licht wahrgenommen?

Die Opfer waren Mitbürger, teilweise hier geboren und aufgewachsen, sie haben nun wieder einen Namen, den man lesen kann, wenn man sich bückt.

Sie erinnern uns daran, dass so etwas nie wieder passieren darf.

Vorsicht ist geboten, aufstehen heißt es und sich gegen jede Form von beginnendem Unrecht aufzulehnen.

Die Lichter, die wir heute auf diese Gedenksteine stellen, sind also Erinnerung an diese Menschen – und an uns.

Nur Licht durchdringt die fürchterliche Dunkelheit.

Genau in dem Moment, als die letzten Zeilen für diesen Bericht getippt werden, erreichen uns als Antwort auf diese Aktion per Email die Worte von Sheri Stern:

Wir danken Euch, wie immer, dass Ihr eure Mission fortsetzt, dass Ihr die Erinnerung an unsere Liebsten und den Wert ihres Lebens wach haltet!

 

** Dieser Beitrag ist abgedruckt im Meinhardus 2/2018, S. 27-43 **

 

Joomla templates by a4joomla