Ansprache zur fünfte Verlegung von Stolpersteinen in Meinerzhagen, 2. Oktober 2021

Bürgermeister Jan Nesselrath

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste,

liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

vielen Dank.

 

Ich begrüße Sie alle in meiner Eigenschaft als Bürgermeister, aber auch ganz persönlich als Bürger dieser Stadt zu diesem wichtigen Anlass.

Wir sind zusammengekommen, um neun Mitbürgerinnen und Mitbürgern zu gedenken, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, vertrieben, deportiert wurden.

Nur vier von ihnen überlebten Terror und Unrecht, fünf wurden in den Tod getrieben oder ermordet.

 

Wir denken an das Schicksal der Brüder Nathan und Emil Stern,

an ihre Ehefrauen Rosa und Paula,

an ihre Kinder Hugo, Hedwig, Hans und Herbert

sowie an ihre Cousine Paula.

Für sie, für diese neun Menschen, wollen wir heute an ihren letzten Wohnstätten in Meinerzhagen Stolpersteine verlegen und damit ein Zeichen der Erinnerung setzen.

Ich danke Ihnen und Euch, dass Sie diesen Moment mit uns teilen.

Besonders begrüßen möchte ich an dieser Stelle Sie, liebe Yvonne Daniel, die Tochter von Hedwig und Enkeltochter von Nathan und Rosa Stern.

Sie sind gemeinsam mit Ihrem Mann René aus den USA zu uns gekommen.

Dafür danke ich Ihnen sehr.

Ich begrüße auch unsere geschätzten Freunde Steve Fischbach sowie Gail Stern, ihre Schwägerin Sheri Stern und Sohn Ryan.

Für Ihre Familien wurden in den vergangenen Jahren bereits Stolpersteine verlegt, und im Laufe der Zeit hat sich eine Verbindung aus Vertrauen und Wertschätzung entwickelt.

Wir sind froh, dass auch Sie bei uns sind und dass Sie alle uns die Hand in der gemeinsamen Erinnerung reichen.

Dies ist eine Geste der Freundschaft und ein Zeichen der Versöhnung, das ich in großer Dankbarkeit im Namen aller Bürgerinnen und Bürger annehme.

 

Besonders heiße ich auch neben unseren Gästen diejenigen willkommen, die mit ihrem unermüdlichen Einsatz auch diese letzte Stolpersteinverlegung möglich gemacht haben.

Stellvertretend für die Initiative Stolpersteine möchte ich an dieser Stelle Christina und Dietmar Först begrüßen sowie den Projektkurs „Jüdisches Leben in Meinerzhagen“ unseres ev. Gymnasiums.

Dass Ihr als junge Menschen Euch dieses so wichtigen Themas angenommen und dafür gesorgt habt, dass auch diese letzten neun Steine noch verlegt werden können, ist für mich ein Zeichen von höchstem symbolischen Wert.

Eure Beharrlichkeit zeigt, dass Euch der Themenkomplex wichtig ist und dass auch Euch als jungen Menschen klar ist:

Dieser Teil der Geschichte geht alle Generationen an.

Er vergeht nicht.

Es liegt in unser aller Verantwortung, dass sich diese schreckliche Zeit nicht wiederholt.

Diese Haltung stimmt uns hoffnungsvoll.

Bedanken möchte ich mich auch bei Dir, lieber Sebastian Falz.

Du springst für Gunter Demnig ein, der als Initiator die Verlegung eigentlich vorgenommen hätte, heute aber verhindert ist.

Dass Du sofort angeboten und zugesagt hast, diese Arbeit vorzunehmen, spricht ebenfalls eine deutliche Sprache von Zusammenhalt und Klarheit in so elementaren Themen.

 

Liebe Gäste, dies ist die fünfte und letzte Verlegung von Stolpersteinen hier in Meinerzhagen.

Aber wir werden dieses Kapitel im Buch unserer Geschichte nicht schließen.

Gemeinsam tragen wir sie in die kommende Generation, und wir dürfen heute deutlich sehen:

Die Jugend nimmt sich ihrer an und lernt daraus.

Antisemitismus hat in unserer Gesellschaft keinen Platz.

Nie wieder dürfen Grausamkeiten wie diese geschehen!

Diese Botschaft ist ein Teil unserer Geschichte auch für uns als Kinder dieser Stadt.

Die Gedenksteine machen es sichtbarer.

Es sind Menschen, es sind Familien, es sind Leute aus unserer Mitte, die dieses Unrecht, die dieser Schmerz getroffen hat.

Sie hatten Namen, sie hatten einen Platz in unserer Gemeinschaft, sie hatten ein Leben, das ihnen genommen wurde.

Was ihnen geschehen ist, was mit den Familien von Steve, Gail und Sheri und mit anderen passiert ist, ist in seiner Grausamkeit und seiner Konsequenz kaum vorstellbar.

Es sprengt unser Vorstellungsvermögen.

Umso wichtiger ist, gerade in diesen Zeiten, Toleranz, Verständnis, Fürsorge und Respekt wieder in den Mittelpunkt zu rücken, und zwar auch aus der Erinnerung an das Geschehene heraus.

Dass wir daraus lernen und unsere Gegenwart und Zukunft danach gestalten.

Dass wir die Schicksale unserer Mitmenschen in unseren Köpfen und Herzen behalten und dass wir uns, auch als nachfolgende Generationen, unserer Verantwortung der Geschichte gegenüber bewusst sind.

Sie sollte unser Handeln lenken und unser Leitfaden dafür sein, wie wir heute miteinander umgehen.

Dass wir hier stehen und dass Ihr, liebe Schülerinnen und Schüler, eine treibende Kraft für diesen Gedenkakt wart, stimmt mich zuversichtlich.

Denn es zeigt:

Wir sind auf dem richtigen Weg.

Ich hoffe sehr, dass wir die Gesellschaft auf diesem Weg mitnehmen.

Ich für meinen Teil kann nur sagen:

Wir werden uns dafür einsetzen, dass das Miteinander das Maß der Dinge ist.

Diese Lehre nehmen wir mit in die Zukunft, in der wir für Toleranz, für Offenheit, für Respekt, Achtung und Empathie einstehen.

Das sind wir Ihnen, die Sie diesen Tag heute mit uns begehen, und einander schuldig.

Liebe Anwesende, bevor ich nun das Wort wieder übergebe, möchte ich mit einem Zitat von Noach Flug schließen, der in seiner Jugend die Gräueltaten des Nationalsozialismus durch- und überlebte.

Er brachte unser Anliegen, das wir mit den Stolpersteinen verfolgen, in anderem Zusammenhang auf den Punkt.

Er sagte:

Die Erinnerung ist wie das Wasser:

Sie ist lebensnotwendig und sie sucht sich ihre eigenen Wege in neue Räume und zu anderen Menschen.

Sie ist immer konkret:

Sie hat Gesichter vor Augen, und Orte, Gerüche und Geräusche.

Sie hat kein Verfallsdatum und sie ist nicht per Beschluss für bearbeitet oder für beendet zu erklären.“

 

In diesem Sinne:

Nathan und Rosa, Hugo und Hedwig,

Emil und Paula, Hans und Herbert

sowie Paula werden nicht vergessen werden, ebenso wenig wie die 38 weiteren Menschen, deren Namen auf den Gedenksteinen in unserer Stadt gemeißelt wurden.

 

Vielen Dank.

 

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